Am 1. April ist ein Jahr ist vergangen, seit der Franzose Marc Dellenbach als Junioren-Bundestrainer Bogen nach Deutschland gekommen ist. Im Interview zieht der 44-Jährige ein erstes Fazit, gibt Einblick in seine Trainerphilosophie und erklärt, warum Persönlichkeitsentwicklung für ihn eine große Rolle bei der Arbeit mit Jugendlichen spielt.
Marc, seit einem Jahr arbeitest du nun beim DSB schon als Nationaltrainer der Junioren. Wenn du darauf zurückblickst, wie fällt dein ganz persönliches Fazit aus? Dellenbach: „Unglaublich, denn die Zeit ist vergangen wie im Fluge. Ich bin immer noch überglücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben, denn ich sehe großes Potenzial und die richtige Einstellung sowohl bei Sportlern als auch Trainern. Ich hoffe, dass dies nur der Anfang einer wunderbaren Geschichte ist.“
Was sind die größten Veränderungen seit Beginn deiner Arbeit mit den Nachwuchstalenten, und auf was bist du besonders stolz? Dellenbach: „Harte Arbeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Vor einem Monat waren wir gemeinsam in Korea im Trainingslager, und für Koreaner ist es ganz normal zwischen 400 und 500 Pfeile am Tag zu schießen. Es ist ihr einziges Geheimnis. Seit ich mit den Junioren trainiere, haben sie verstanden, dass sie nicht nur mehr trainieren müssen, sondern auch jeden Pfeil so schießen müssen, als wäre es der letzte Pfeil bei den Olympischen Spielen. Das ist das oberste Ziel. Ich erkläre ihnen immer wieder, wie wichtig es ist, sich technisch weiterzuentwickeln, um noch effizienter und stabiler zu werden – zuerst im Training, später im Wettkampf. Dabei müssen sie jedoch geduldig bleiben, denn es braucht Zeit, um ein Champion zu werden. Es ist nicht ein Klick am Computer, der einen dorthin bringt. Deshalb bin ich froh über das Vertrauen, dass mir sowohl von Seiten der Sportler als auch der Trainer entgegengebracht wird. Stolz machen mich vor allem die vier Medaillen bei den Europameisterschaften in Patras im vergangenen Jahr. Ich bin mir sicher, dass wir uns alle gerne daran zurückerinnern.“
Man erkennt viel Fortschritt, doch Veränderungen bringen auch immer ein paar Baustellen mit sich… Dellenbach: „Wir brauchen dringend eine Möglichkeit, das ganze Jahr in der Halle auf 70 Meter trainieren zu können, aber ich weiß, dass das bereits in Arbeit ist. Je eher wir diese Möglichkeit bekommen desto besser. Außerdem bräuchten wir mehr Bogenschützen, die täglich trainieren können, z.B. in Form einer Sportschule mit professionellen Trainern. Was mich gleich zum nächsten Punkt führt, denn es wäre schön, mehr Sportler und Trainer zu haben, die diesen Sport professionell ausüben. Es ist ein langwieriger Prozess, aber zusammen können wir das schaffen.“
Der Erfolg hat sich schnell eingestellt. So gewann beispielsweise Clea Reisenweber die Silbermedaille bei der EM und auch an den Youth Olympic Games hast du mit deinen Sportlern erfolgreich teilgenommen. Wie bewertest du die Entwicklung deiner Talente im letzten Jahr? Dellenbach: „Es ist immer schwer vorherzusagen, wie schnell sich ein Bogenschütze entwickelt. Das Einzige, was ich sagen kann ist, dass wenn er seinen Job jeden Tag in die richtige Richtung macht, kann er große Fortschritte machen - in manchmal sehr kurzer Zeit. Cleas letzte Saison war fantastisch, aber man muss auf sie aufpassen. Sie hat noch einen langen Weg vor sich, denn ihre Karriere hat erst begonnen und sie braucht Zeit, um zu wachsen. Schritt für Schritt.“
Worauf liegt dein Fokus im Training, und auf was legst du besonders Wert bei der Arbeit mit Jugendlichen? Dellenbach: „Das Wichtigste für mich ist es, ihnen Folgendes zu lernen: Zum einen ist es für sie wichtig zu wissen, wer sie sind und zu akzeptieren wie sie sind. Das ist der erste Schritt, um deine eigene Strategie für jede Situation zu finden, auszubauen und anzuwenden. Zum anderen müssen sie wissen, wie die Weltspitze im Bogensport funktioniert, um sich deren Anforderungen jeden Tag zueigen zu machen und eines Tages ein Champion zu werden. Das ist meine Trainerphilosophie – ein harter, aber spannender Beruf.“
Als Sportler lernt man bereits früh, sich Ziele zu setzen. Was ist dein persönliches Ziel für die kommende Saison und wo geht die Reise hin? Dellenbach: „Ziele sind wichtig, denn sie sind der Grund, warum du jeden Morgen aufstehst. Mein Ziel ist es, gute Bogenschützen zu trainieren, so dass sie eines Tages in der Lage sind, erfolgreich an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Meine Aufgabe ist es, ihnen die richtigen physischen, mentalen und technischen Fertigkeiten zu lehren, die sie dafür brauchen. Nachwuchswettbewerbe sind ein gutes Mittel, um sie in diesem Prozess zu unterstützen und mehr Selbstbewusstsein zu erlangen. Wir haben in diesem Jahr eine Weltmeisterschaft und ich will, dass der Bogen-Nachwuchs dort sein Bestes gibt. Aber ich bin eben auch ein Wettkampftyp, und wenn das Juniorenteam für Deutschland an den Start geht, dann, um mindestens eine Medaille zu gewinnen. Ich hoffe, dass uns dieser Weg bis zu den Olympischen Spielen nach Paris 2024 führt. Außerdem will ich mein Deutsch verbessern, aber es ist schwer für mich, obwohl ich jeden Tag übe…“