Normalerweise schießen die Para-Bogensportler auf abseits gelegenen Plätzen vor einer Handvoll Zuschauer. In Wiesbaden stehen oder sitzen sie im eigens errichteten Stadion – wie im Vorjahr bei den Deutschen Meisterschaften – auf der Schießlinie. In Wiesbaden gehen 31 Athleten in drei Wettkampfklassen an den Start: Herter schießt in der Klasse W1 (für Recurve und Compound), „der Klasse mit den Rollstuhlfahrern, die an Armen und Beinen behindert sind und bei denen zusätzlich die Rumpfstabilität beeinträchtigt ist.“ Seit einem Fahrradunfall 1998 ist der 58-Jährige auf einen Rollstuhl angewiesen, schon bald entdeckte er das Bogenschießen für sich: „Ich hatte großen Gefallen am Bogenschießen. Und diese „Sucht“ hält bis heute an. Ich kann es nicht in Worte fassen, was mich daran fasziniert, aber es zieht mich in jeder freien Minute immer noch auf den Bogenplatz“, so Herter. Zumal ihm der Sport auch hilft: „Mein Training ist eigentlich eine Therapie: Durch das Spannen des Bogens richte ich meinen Körper, auf und das ist eine gute Übung für die fast nicht mehr vorhandene Rumpfstabilität. Bogenschießen trägt somit zu meinem körperlichen Wohlbefinden bei.“
Hahn startet im Compound Open, zudem gibt es noch die Klasse Recurve Open. Die 20-Jährige ist noch relativ neu dabei und schießt erst seit zwei Jahren mit dem Compoundbogen, nachdem sie zuvor mit dem Recurvebogen auf Ringejagd ging. Hahn, die durch das „Larsen-Syndrom“ („Meine Beine sind in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und nicht normal gewachsen“) beeinträchtigt ist, schießt im Stehen: „Da ich aber mit beiden Beinen und dem Rumpf nicht wirklich stabil bin, ist mein ganzer Bewegungsablauf und das Schießen deutlich instabiler als bei einem „normalen“ Schützen. Vor allem bei Wind wird mir das zum Nachteil, da ich dort viel deutlicher Probleme mit dem Stand habe“, erklärt sie. Auch sie genießt ihren Sport, „der für mich einen Ausgleich zum Alltag mit Universität und Arbeit bedeutet. Die Konzentration gilt hier ganz allein dem Bewegungsablauf, und man kann vom Alltag abschalten.“
Um in der Spitze anzukommen und mitzuhalten, tun beide viel: „Wenn es mein Terminkalender erlaubt, sitze ich auf dem Bogenplatz und lasse die Pfeile fliegen. Das ist im Sommer drei bis sieben Mal die Woche“, berichtet Herter. Bei Hahn ist es ähnlich, „sechs Mal die Woche trainiere ich, davon drei Mal Kraft und Ausdauer und drei Mal Schießtraining.“
Es zieht mich in jeder freien Minute immer noch auf den Bogenplatz!
Zu welchen Leistungen Hahn, Herter & Co in der Lage sind, zeigten sie zuletzt bei den Deutschen Meisterschaften der Nichtbehinderten in Berlin. Herter wurde von 45 Teilnehmern 25. und sah sich bestätigt, „dass ich mich mit Nichtbehinderten auf Augenhöhe messen kann.“ Hahn war mit Platz elf nicht zufrieden, „ich hatte etwas Probleme mit dem Wind, aber allgemein hat das Schießgefühl an diesen Tag nicht ganz gepasst.“

Passen soll das wieder am 17./18. August (Start jeweils um 10.30 Uhr) in Wiesbaden, wenn dort die Halbfinals und Finals im erstmalig durchgeführten Europacup Finale durchgeführt werden. Der Eintritt ist frei und es wäre schön, wenn zahlreiche Zuschauer die tollen Leistungen der europäischen Bogen-Elite sehen würden.