In Moment dreht sich im Leben von Nadine Messerschmidt gerade alles um Luftballons, die passende Geburtstagstorte und natürlich Geschenke. Nicht, weil Weihnachten kurz bevor steht, sondern weil ihre kleine Tochter Mara bald ihren dritten Geburtstag feiert. Zwar ist in der aktuellen Situation keine große Kindergeburtstagsparty möglich, aber dann „muss man zu Hause jetzt ein wenig mehr bieten“, weiß Messerschmidt, die sich deshalb extra viel Mühe gibt, dem kleinen Sprössling den Geburtstag so schön wie möglich zu gestalten.
Im März zog die Profisportlerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Stefan und Kind in ihr eigenes kleines Häuschen und meistert dort ihr Leben zwischen Mamadasein und Leistungssport. Jeden Morgen führt der erste Weg deshalb um kurz vor acht zuerst zum Kindergarten. Zeit, die Messerschmidt nutzt, um ins Training nach Suhl zu starten, fleißig an ihrer Technik zu feilen und auf sich selbst zu achten: „Wenn du Mama bist, weißt du die Zeit auf dem Schießstand ohne Kind – diese Ruhe – zu genießen.“ Ab halb drei schlüpft sie schnell wieder zurück in die andere Rolle, die als Mama. Ab und zu wird aber auch am Nachmittag noch einmal gemeinsam Sport zu Hause gemacht. „Es ist schon süß, wenn so ein kleiner Mensch neben dir steht und versucht, Kniebeugen zu machen“, erzählt Mama Nadine von ihren Home-Workout-Erfahrungen. Ob die Mama hier gleich ein kleines Vorbild für Mara ist? „Ihr macht das Spaß! Sie freut sich auch immer, wenn es zum Schießen geht und sie mir beim Wettkampf zuschauen kann.“ Eine ganz neue Herausforderung, an die sich die Sportlerin erst einmal gewöhnen musste, aber ihre Sicht der Dinge nachhaltig verändert hat: „Ich weiß nicht, was bei der Geburt passiert, aber man hat auf einmal eine ganz andere Ansicht, was im Leben wichtig ist und was nicht. Mir fiel es dadurch sehr viel leichter, Sport zu machen, denn ich habe begriffen, dass dir da keiner einen Kopf abreißt, wenn du einen Fehler machst. Aber wenn als Mama etwas schief geht, kann das viel fatalere Folgen haben, und du musst dir viel mehr Gedanken machen.“ Klar, habe sich ihr Leben verändert: Weniger Schlaf, andere Themen. „Aber das ist halt Mamaleben“, weiß Messerschmidt heute, die vor allem die positiven Seiten hervorhebt, denn seit der Geburt ihrer kleinen Tochter habe sich in ihr auch eine gewisse Lockerheit breitgemacht, die sich nach der Babypause positiv auf die Leistung im Sport auswirkte. Zwei Medaillen und drei Finalteilnahmen brachte sie damals von der Europameisterschaft in Leobersdorf/AUT zurück nach Hause. Heute hat sie die Olympischen Spiele fest im Visier. Trotz Kind oder gerade wegen des Kindes.
Auf der einen Seite bekommst du von Sportlern gesagt, dass Mamadasein und Sportlerdasein ein Zwiespalt ist, auf der anderen Seite sind die Mamas, die in Frage stellen, ob du eine gute Mutter bist, weil du Sport machst, weil man so oft weg ist.
Als wäre der Weg zu den Olympischen Spielen nicht schon schwer genug, muss sich die junge Mutter auch noch mit Vorurteilen konfrontieren lassen: „Ich wurde schon oft darauf angesprochen, dass ich mit Kind ja gar kein richtiger Sportler sei. Warum sind Mütter keine richtigen Sportler? Wir haben eine Doppelbelastung, die andere vielleicht in einer anderen Art und Weise haben, aber Mamas können genauso Leistungssportler sein wie alle anderen auch.“ Messerschmidt sieht den Vorteil vor allem daran, dass Mütter noch mehr Disziplin in der Organisation hätten, um alles unter einen Hut zu bringen. Dafür braucht es natürlich Unterstützung aus der Familie. Teamwork. Messerschmidts Lebensgefährte arbeitet im Schichtbetrieb, und wenn die Sportlerin längere Zeit auf Wettkampfreise ist, muss natürlich auch die kleine Mara währenddessen betreut werden. Ihre Schwester kümmert sich dann um die Kleine, „es ist für sie wie „Urlaub von zu Hause“, beschreibt Messerschmidt und betont: „Sie fühlt sich dort mit den anderen drei Kindern meiner Schwester total wohl“. So kann sie beruhigt ihrem Beruf nachgehen. Dank eines starken Umfelds.
Herausforderungen warten auf die junge Mama auch im Kindergarten. Zwar ist sie den Konkurrenzkampf aus dem Sport gewohnt, doch dass dieser auch zwischen den Müttern im Kindergarten herrscht, hat sie anfangs doch verwundert: „Manchmal kommen Eltern zu mir und sagen mir, was ihr Kind schon kann und meins noch nicht, aber diese Leistung bei Kindern zu messen, sollten wir nicht. Anfangs fiel es mir schwer, mich nicht davon anstecken zu lassen. Man sollte Kinder so fördern, wie man es selbst für richtig hält, sie in die richtige Richtung bringen, aber sie in ihrer Entwicklung nicht zu sehr vergleichen.“ Eine Situation, die Messerschmidt aus dem Leistungssport kennt und aus denen sie gelernt hat, denn auch dort macht man manchmal eben größere und manchmal kleinere Leistungssprünge: „Ein Kind braucht sein eigenes Tempo, und man sollte sie zu nichts zwingen. Genau das Gleiche gilt für den Leistungssport: Wenn du etwas mit aller Gewalt willst, funktioniert es erst recht nicht. Die gleiche Erfahrung habe ich in der Kindererziehung gemacht.“
Gerade bei den anderen Kindergartenmüttern merke sie diesen Leistungsvergleich, der vielleicht nicht so sehr im Alltag eine Rolle spielt wie in Messerschmidts Beruf als Profisportlerin, dafür umso mehr bei den Kindern stattfinde. „Auf der einen Seite bekommst du von Sportlern gesagt, dass Mamadasein und Sportlerdasein ein Zwiespalt ist, auf der anderen Seite sind die Mamas, die in Frage stellen, ob du eine gute Mutter bist, weil du Sport machst, weil man so oft weg ist“, erzählt Messerschmidt aus ihren Erfahrungen, aber sie weiß inzwischen auch: „Man kann es niemanden Recht machen, aber ich kann die Zeit neben dem Sport dafür so viel intensiver mit meinem Kind verbringen, als wenn ich eine 40-Stunden-Woche in einem normalen Job habe. Es ist schwierig, sich für sein eigenes Kind rechtfertigen zu müssen, egal in welcher Art und Weise. Jeder meint es besser zu wissen“. Derweil wissen nur die Allerwenigsten, wie das Leben der jungen Familie wirklich abläuft und wie sie die Zeit, in der die Mama auch mal mehrere Tage oder Wochen am Stück weg ist, überbrücken: „Sie sehen nicht, dass sie auch Spaß daran hat, woanders zu übernachten, dass wir ein bis zweimal am Tag miteinander telefonieren. Es ist nie so, dass wir nie Kontakt haben.“ Am Ende muss jede (künftige) Familie ihr Leben selbst gestalten, sodass es zu ihren Lebensvorstellungen passt. Messerschmidt hat dafür noch einen Tipp: „Egal, wie man sich entscheidet, man sollte dazu stehen!“
Ob ihre kleine Tochter einmal in Ihre Fußstapfen tritt, lässt die Spitzenathletin offen: „Sie soll sich selbst aussuchen, was sie möchte.“ Aber eine gute Grundvoraussetzung hat die kleine Mara schon. „Ich habe ein sehr willensstarkes Kind“, lacht Messerschmidt und fügt hinzu: „Aber manchmal müsste sie dieses ‚ein bisschen weniger‘ noch lernen, um erfolgreich zu werden.“