„Umso vertrauter ein Ablauf ist, desto einfacher kann er in Stresssituationen umgesetzt werden“, weiß Doreen Vennekamp aus Erfahrung. Deshalb ist es für sie als Spitzensportlerin wichtig, Struktur in ihre Abläufe zu bekommen und einen Plan zu verfolgen. Wichtig vor allem dann, wenn nicht alles rund läuft. „Für mich ist es z.B. wichtig zu wissen, wie ich auf eine Waffenstörung reagiere, ohne in Aufregung zu geraten“, so Vennekamp, die in internationalen Finals schon oft ihre Nervenstärke unter Beweis gestellt hat. Cool zu bleiben und den Puls zu beruhigen funktioniert aber nur, wenn sie sich zuvor einen Plan zurecht gelegt hat. Kurz durchatmen, Hand heben, analysieren (oder Auszeit anfordern), falls es im Finale passiert, sofortiger Waffenwechsel, Pistole reparieren, neu konzentrieren, perfekten Schuss visualisieren, weitermachen!
Pre-performance routines
Wie Wettkampfroutinen können auch Leistungsroutinen in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Oftmals ist in Sport-TV-Übertragungen zu sehen, wie Skifahrer noch einmal vor dem Start die Piste mental durchgehen und ihr Handlungsmuster prüfen. Diese Leistungsroutinen werden vor der eigentlichen Handlung ausgeführt und auch als pre-performance routines bezeichnet. Jeff Simons entwickelte eine sogenannte Quick Set Routine, die aus drei wesentlichen Schritten besteht. Schritt eins ist zum Beispiel ein tiefes Durchatmen bei geschlossenen Augen (physisches Signal). Bei Schritt zwei stellt sich der Sportler noch einmal den perfekten Schuss vor, der ihn zum Sieg bringt (emotionales Signal). In Schritt drei gilt es, die Aufmerksamkeit wieder auf den bevorstehenden Start zu lenken und letztendlich zu starten (Aufmerksamkeitssignal). Damit werden alle drei Teile einer Routine angesprochen: Emotionsregulation, Kontrolle von Kognitionen sowie Motivationsregulation.
Performance routines
Leistungsroutinen können aber auch im Wettkampf hilfreich sein, um die Handlung zu unterstützen. Diese Routinen erfolgen während der Handlung und stabilisieren nicht nur die aktuelle Handlung, sondern sollen die Bewegung auch an die aktuellen Umweltbedingungen anpassen. Diese Routinen können z.B. genutzt werden, wenn das Wetter umschlägt. Eine Routine könnte beispielsweise sein: (1) Wetterumschwung wahrnehmen, (2) Wind beobachten, (3) Einstellungen an Wetterbedingungen anpassen und (4) sich durch Selbstinstruktionen wie „Ich kann das“ selbst motivieren, dass man auch diese Wetterbedingungen erfolgreich beherrschen wird.
Um gewissen Handlungen zu trainieren, hilft es, einen Regie- oder Handlungsplan zu erstellen. Dabei wird wie folgt vorgegangen:
- AUFSCHREIBEN: Jeder einzelne Schritt einer Handlung wird präzise aufgeschrieben. Zum Beispiel vom Laden bis zum Absetzen des Sportgeräts.
- ÜBERPRÜFEN: Anschließend wird der Plan auf Vollständigkeit überprüft, indem der Trainer oder Trainingspartner den Plan vorliest, während der Schütze die Handlung ausführt. Trainiert man allein, kann man sich auch eine Sprachnachricht vorspielen, die man zuvor aufgenommen hat.
- ANALYSIEREN: Durch Videoanalyse kann dieser Prozess zusätzlich unterstützt werden, um Prozesse zu optimieren und dem Schützen Potenziale aufzuzeigen.
- KÜRZEN: Der Handlungsplan wird anschließend auf die 3-5 wichtigsten Punkte, die zu einem technisch sauberen und erfolgreichen Schuss führen, reduziert.
- ÜBEN: Diese 3-5 „Knotenpunkte“, die für jeden Schützen individuell sind, kann sich der Schütze nun bei jedem Schuss vorsagen und abhandeln. Er dient als roter Faden – vor allem auch in Stresssituationen. Diese Punkte geben Sicherheit und Halt. Als kleine Erinnerung können diese Punkt auch auf einem Zettel stehen, der so angebracht wird, dass er vom Schützen jederzeit wahrgenommen werden kann und so als kleine Gedankenstütze dient.
Vor allem bei jungen Sportlern hilft es, wenn der Trainer anfangs diese Punkte immer wieder während der Handlung vorliest/spricht, damit der Schütze seinen Ablaufplan verinnerlicht.
Post-performance routines
Die letzte Form der Leistungsroutinen sind post-performance routines, also Routinen, die nach dem Ende einer Handlungsausführung stattfinden. Gut zu erkennen bei Biathleten, die nach dem Schießen ihre Brille aufsetzen, die Handschuhe anziehen, in die Schlaufen der Stöcke schlüpfen und ein paar Schritte anskaten, bevor es wieder richtig los geht. Hinzu können kognitive Techniken wie ein Gedankenstopp bei einem Fehlschuss kommen. Diese Routinen unterscheiden sich von Nach-Wettkampfroutinen dadurch, dass der Wettkampf noch nicht abgeschlossen ist, sondern weitergeht.
Wie auch bei Wettkampfroutinen gilt hier: Jeder ist individuell. Jeder hat seine eigene Routine. Doch alle brauchen sie, um stabil ihre Leistung in Drucksituationen abrufen zu können. Diese Routinen, die sich entwickeln, die sich verändern und die es gilt, Tag für Tag zu trainieren, um das Beste aus sich herauszuholen.
Quellen:
Weigelt, M., Steggemann, Y. (2014) Training von Routinen im Sport. In: Zentgraf, K.; Munzert, J. (Hrsg.) Kognitives Training im Sport, Hogrefe: Göttingen.