Team Frauen: Nach dem Stechen wird gejubelt
Die Tribünen waren mit 1.300 Zuschauern sehr gut gefüllt an diesem „Super-Sonntag“ aus deutscher Sicht: Barbara Georgi, Ex-Bundestrainerin Pistole, war eigens um 6.00 Uhr morgens in den Zug gestiegen, um sich das Spektakel anzusehen, die Brüder Mats und Jonas Hummels waren ebenfalls da. Und es sollte sich lohnen: Denn gleich zu Beginn lieferte sich Katharina Bauer, Michelle Kroppen und Charline Schwarz ein packendes Duell mit den Türkinnen. Zunächst deutete alles auf einen einfachen Sieg hin, die ersten beiden Passen wurden 54-47 und 56-46 ganz souverän gewonnen, Trainer Marc Dellenbach forderte das Publikum mit Gesten immer wieder auf, die Athletinnen anzufeuern. Doch dann kippte die Partie: Die deutschen Pfeile flogen immer öfter in die Acht, die Türkinnen stabilisierten sich und glichen aus (50-53, 52-53). Somit musste das Stechen über den EM-Titel entscheiden: Bauer legte eine Acht vor, die Türkinnen brachten nur eine Sieben auf die Scheibe. Schwarz ließ eine Neun folgen, die Türkin erzielte abermals einen Ring weniger. Und als Kroppen ihren Pfeil in die Neun setzte, war die Entscheidung gefallen (26-23). Jubel, Umarmungen und Laola mit dem Publikum war die Folge. „Es war der Wahnsinn, ihr seid der absolute Hammer!“, dankte Bauer den Zuschauern und sprach von einer „Achterbahnfahrt der Gefühle.“ Schwarz, die ihre Fingernägel eigens golden gefärbt hatte, sagte: „Shootoff ist immer etwas Besonderes, weil es nur drei Pfeile sind, die entscheiden. Wir haben uns immer abgesprochen, das hat geholfen und gereicht!“ Und Kroppen war erleichtert, ihre erste Gold-Chance verwertet zu haben: „Ich freue mich total, wir hatten super viel Spaß, das Publikum war lauter als in Korea. Wir haben im Stechen nochmals alles probiert, und es hat gereicht!“ Es war die sechste EM-Medaille in Folge für ein deutsches Frauen-Team und das zweite Gold nach 1998 in der EM-Geschichte. „Das Teamschießen ist eine Stärke. Wir standen in diesem Jahr in beiden Weltcup-Finals und sind Weltranglistenzweite. Wir harmonieren, wir können uns alle aufeinander verlassen, wir machen alle einen guten Schuss“, erklärte Schwarz die deutsche Teamstärke. Bronze sicherte sich Slowenien durch ein 6:2 (48-44, 52-49, 53-55, 49-48) gegen Dänemark.
Wir harmonieren, wir können uns alle aufeinander verlassen, wir machen alle einen guten Schuss!
Charline Schwarz zur deutschen Teamstärke
Team Männer: Italien nervenstark zum Titel
Die einzige Finalentscheidung ohne Beteiligung der deutschen Athleten war ebenfalls hochklassig. Den Titel sicherte sich Spanien durch ein 5:1 (56-49, 54-52, 58-58) gegen Italien. Dabei lieferten die Italiener, die letztmals 2008 einen EM-Titel gewonnen hatten, in der letzten Passe ab. Drei Zehner mussten her, und Mauro Nespoli, Federico Musolesi und Alessandro Paoli lieferten. Bronze ging an die Schweiz nach einem 5:3 (56-56, 52-55, 56-53, 57-55) gegen Großbritannien.
Mixed: DSB-Duo knapp geschlagen
Deutschland gegen Niederlande hieß das ewig junge Duell um Gold im Mixed-Wettbewerb: Kroppen & Unruh trafen auf Gaby Schloesser & Rick van der Ven. Während das deutsche Duo schwer in die Partie fand, saßen die Oranje-Pfeile oftmals im Zentrum. So hieß es 0:4 (33-37, 38-39), und das deutsche Team war gefordert. Der Anschluss gelang mit vier Neunern (36-34) und auch in der vierten Passe glänzte das DSB-Duo. Doch der Konter der Niederländer kam punktgenau, die Punkte wurden geteilt (38-38), sodass die Niederländer das Match 5:3 gewannen. Die Enttäuschung auf deutscher Seite hielt sich jedoch in Grenzen: „Es sind immer nur vier Pfeile im Mixed. Wir haben gut reingefunden und sehr gut ausgeschossen, deshalb können wir zufrieden sein“, so Kroppen.
Die Bronzemedaille ging an das Duo Tatiana Andreoli & Mauro Nespoli (ITA) nach einem 6:2 (33-37, 39-38, 36-34, 37-34) gegen Anastasia Pavlova & Olekssi Hunbin (UKR).
Alle sind sie da: Meine Mutter, mein Opa, mein ganzer Verein, der Bürgermeister – das gibt mir Kraft und spornt mich an!
Katharina Bauer war ergriffen von der Unterstützung
Einzel Frauen: Bauer holt Bronze, Kroppen Silber
Fünf Medaillen waren für das deutsche Team an diesem Finaltag möglich, und Katharina Bauer setzte es in die Tat um: Die 26-jährige Raublingern, die wie keine andere für die „EM dahoam“ stand, siegte souverän 6:0 (25-22, 28-23, 27-26) gegen die Österreicherin Elisabeth Straka und warf sich anschließend Bundestrainer Oliver Haidn überglücklich in die Arme: „Bronze ist immer alles oder nichts, aber ich habe mir keinen größeren Druck gemacht. Es ging darum, meinen Schuss zu machen und das hat gut funktioniert. Deswegen bin ich sehr glücklich. Alle sind sie da: Meine Mutter, mein Opa, mein ganzer Verein, der Bürgermeister – das gibt mir Kraft und spornt mich an.“
Im Goldfinale hieß es abermals Deutschland gegen die Türkei, konkret Kroppen gegen Gulnaz Coskun. Und dieses Mal konnte sich die Türkin revanchieren. Der Start verlief völlig ausgeglichen, gleich zweimal teilten sich die beiden Finalistinnen die Punkte (28-28, 27-27), danach verlor Kroppen ihren Rhythmus und das Match. Mit 24-26 und 27-29 gingen die beiden Passen an die stark schießende Türkin. „Ich ärgere mich, dass ich in der dritten Passe meinen Fokus verloren habe und sehr zögerlich war. Das hatte ich in der gesamten Woche nicht.“ Dennoch avancierte Kroppen zur „EM-Königin“ mit Gold, und zweimal Silber – das hatte in der EM-Geschichte noch keine Schützin geschafft: „Natürlich ist es immer schade, das letzte Match zu verlieren, aber ich hatte einen extrem schweren Saisonstart und mit dem, was ich abgeliefert habe, bin ich natürlich überglücklich.“ Und zum Publikum fand Kroppen nur lobende Worte: „Ich bin dankbar für jeden, der hier war. Meine Mutter ist acht Stunden hierher gefahren, Raubling hat mich unterstützt, von der Bundespolizei war jemand da. Es hier lauter als in Korea, und die haben eine gigantische Fanbase.“
Wer weiß, vielleicht steht man in Paris in drei Goldmedaillenmatches, dann kann ich von dieser Erfahrung profitieren!
Michelle Kroppen sieht die EM auch als Lernprozess
Einzel Männer: Unruh unterliegt Alvarino Garcia
Den Abschluss der EM bildete das Männer-Finale zwischen dem Olympia-Fünften Unruh und dem aktuell besten Schützen der Welt, dem Spanier Miguel Alvarino Garcia. Der hatte bei den Weltcups in Antalya und Gwangju Gold und Bronze gewonnen und unterstrich seine starke Form auch im Finale: 2:6 (26-27, 29-27, 27-29, 27-30) musste sich der Fockbeker vor den Augen seiner angereisten Frau Lisa („Ich habe erst davon erfahren, als sie vor mir stand!“) geschlagen geben – der Gegner war dieses Mal einfach besser: „Ich habe offensichtlich den Wind manchmal nicht so gut gesehen, es war nicht ganz perfekt von meiner Seite. Und ich muss anerkennen, dass der Spanier das gut gemacht hat. Ich habe Silber gewonnen und nicht Gold verloren. Ich verliere lieber jetzt als in einem Match zuvor.“
Bronze sicherte sich Olympiasieger Mete Gazoz (TUR) nach einem 6:4 (29-23, 26-27, 28-28, 27-26, 27-27) gegen den Spanier Daniel Castro.
Wir müssen auch die Kirche einmal im Dorf lassen!
Bundestrainer Oliver Haidn zu der Ausbeute von einer Goldmedaillen in vier Goldfinals
Bundestrainer Oliver Haidn zog ein überaus positives Fazit: „Wir sind sehr, sehr zufrieden. Das Soll waren zwei Medaillenmatches, jetzt haben wir fünf Medaillen gewonnen. Das hat Spaß gemacht. Natürlich will man Gold gewinnen, wenn man im Goldfinale steht. Aber wir müssen auch die Kirche einmal im Dorf lassen! Wir sind eine der Top-Nationen in Europa und in der Welt!“
Medaillenspiegel in München
TUR: 2x Gold, 2x Silber, 4x Bronze
NED: 2x Gold, 1x Silber
GBR: 2x Gold
GER: 1x Gold, 3x Silber, 1x Bronze
ITA: 1x Gold, 1x Silber, 1x Bronze
ESP: 1x Gold, 1x Silber
DEN: 1x Gold
EST: 1x Silber, 1x Bronze
FRA: 1x Silber
AUT: 1x Bronze
SLO: 1x Bronze
SUI: 1x Bronze