In der zweiten Runde musste Kroppen gegen die – sichtbar schwangere – Yaylagul Ramazanova (AZE) antreten, die zuvor überraschend die chinesische Team-Silbermedaillengewinnerin Qixuan An ausgeschaltet hatte. Und die DSB-Schützin, die nach einer hervorragenden Qualifikation als Siebte in die Ko-Phase ging, bezwang die Überraschungs-Gegnerin mit 6:2 (27-25, 27-29, 29-25, 27-26). Lediglich einer (Acht) ihrer Pfeile landete nicht im „Gold“, war also keine Neun oder Zehn. Dementsprechend zufrieden zeigte sich die 28-Jährige mit dem Auftakt in die Ko-Phase und verriet, was sie nach dem Viertelfinal-Aus im Teamwettbewerb gemacht hatte: „Ich habe früh nach der Teamniederlage versucht, mich auf das Weitere zu konzentrieren. Damit das schnell aus dem Kopf rausgeht. Ich habe viele Gespräche mit meinem Mentaltrainer geführt und versuche, das Ganze zu meinem kleinen Hause zu machen. Ich will es nicht so groß machen, wie es ist.“
Zuvor hatte sich Kroppen gegen Giorgia Cesarini (SMR) mit 7:3 (30-26, 26-26, 29-26, 26-28, 27-25) durchgesetzt und dabei vor allem in der ersten und dritten Passe hervorragende Pfeile gesetzt. Der Auftakt mit der perfekten 30 war eine Augenweide und Bogensport in Perfektion (Kroppen: „Die erste Passe mit einer 30 zu beginnen, ist natürlich auch sehr cool.“). Insgesamt ging Kroppen mit einem sehr positiven Gefühl nach zwei Matches aus dem Stadion: „Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Ich weiß, dass ich noch mehr kann, aber es ist noch Zeit bis dahin. Ich bin schon eine Runde weiter als in Tokio und will es genießen.“
Ernüchternd verlief der Auftritt von Katharina Bauer. Die 28-jährige Raublingerin fand zu keiner Zeit der Spiele in ihren gewohnten Rhythmus und lief auch im Match gegen Gnoriega ständig einem Rückstand hinterher. Dabei starteten sowohl die Weltranglisten-10. Bauer als auch die 51. Gnoriega gleichauf mit zwei Neunern in die erste Passe, ehe Bauer ihren dritten Pfeil - übrigens laut Einblendung mit einem Puls von 105 - rechts in die Sieben setzte. Diese Chance ließ sich ihre Gegnerin nicht nehmen und ging mit einer weiteren Neun in Führung. Damit war der Druck auf Bauer nochmals gestiegen, aber das Spiel wiederholte sich: Neun, neun, sieben! Der DSB-Schützin gelang es nicht, eine Gruppierung der Pfeile zu erreichen, die relativ verstreut um das Zentrum einschlugen. „Die Siebener sind ärgerlich, waren aber nicht mutig genug angehalten. Ich habe die anderen Pfeile schon links ins Rote angehalten und habe den Wind komplett falsch eingeschätzt“, meinte Baue danach. Zwar wackelte der Bogen der US-Amerikanerin beträchtlich, doch die Ergebnisse waren stark. Denn auch in der dritten Passe – der besten von Bauer – gelang es dieser nicht, einen Pfeil in die Zehn zu platzieren. Gnoriega machte dies gleich bei ihren ersten zwei Pfeilen, sodass ihr eine Acht zum Sieg reichte. „Natürlich bin ich enttäuscht, ich wollte hier Matches gewinnen. Ich habe versucht, egal, wie ich treffe, Spaß zu haben und habe jeden Moment genossen. Ich hatte auch gute Schüsse und bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben“, so Bauer, die zugab, dass die Olympischen Spiele etwas in ihr auslösten: „Es ist auf jeden Fall etwas anderes, für mich war es eine komplett neue Erfahrung, auch mit einer anderen Nervosität, weil es einfach eine andere Bühne ist. Es war für mich grundsätzlich schwierig, weil mein Leistungshoch bei der EM war. Ich habe alles gegeben, um in der besten Form zu sein. Aber ich konnte es trotz der guten Vorbereitung nicht fühlen.“
Bundestrainer Oliver Haidn fühlte mit seiner Athletin mit und sagte: „Kathi ist amtierende Europameisterin. Natürlich kann sie das deutlich besser. Hier in Paris hat sie sich schwergetan, den wechselnden Wind in der Finalarena eindeutig zu lesen. Wo eventuell weitere Ursachen für die fehlenden Zehner liegen, bedarf sicherlich mehr Zeit zur Auswertung. Ich hoffe, dass sie dennoch noch einen weiteren Olympiazyklus angeht. Sie ist meiner Meinung nach noch nicht fertig.“